Die Bildung von Minderheitseliten im multiethnischen und multikonfessionellen
Nationalstaat. (Ungarn in der Doppelmonarchie -1867-1918)
Ein Nationalstaat ohne nationale Mehrheit
Der nach dem sogenannten österreich-ungarischen Ausgleich entstehende parlamentarische Nationalstaat war eine merkwürdige, in mindestens zwei Hinsichten einzigartige Staatenbildung im modernen Europa.
Er war nicht
nur multi-konfessionnell, sondern auch ohne wirkliche ethnische
Mehrheitsgruppe, der Prozentsatz der Magyaren – die Magyarisch sprechenden oder
diejenige, die sich als kulturell Magyarisch bekannten oder ’magyarischen
Ursprung’ beanspruchten – könnten gegen Mitte des 19. Jahrhunderts höchstens
auf 42-43 % der ganzen Bevölkerung geschätzt werden (die damals administrativ
getrennten Transylvanien einbegriffen aber außer Kroatien). Obwohl die
sprachlich-kulturelle Einheit eines Staates oder auch irgendeines größeren
territorial oder anderswie definierten gesellschaftlichen Ganzen ofts
als problematisch erscheint – alles hängt ja davon, wie man Sprachen von
Dialekten, Patois, Argot, regionalen oder schichtenspezifischen
Sprecharten unterscheidet –, aber dies stellt kein wesentliches
Definitionsproblem in Ungarn dar. Jeder, der eine Art Magyarisch sprach,
vestand sich als Ungarisch gegenüber gut bestimmten Gruppen nichtungarischer
ethnischer Identität. Noch im Jahr 1880 hatte man im Lande gegen rund 47 %
Magyaren, die eine in diesem Teil Europas völlig isolierte finnisch-ugrische
Ursprache benutzten, 13 % Deutsche, 18 % Rumänen und 22 % Slawen
unterschiedlichen Schlages (vor allem Slowaken und Ruthenen, aber auch Serben,
Croaten, Slowenen, Bulgaren, Armenier, usw.[1])
- außer Zigeuner, die in Bevölkerungszahlungen nicht immer abgesondert
erschienen.[2]
Aber die
ethnische Vielfalt und die zum Teil direkt dadurch aufrechterhaltene nationale
Loyalitätenproblematik war im post-feudalen Ungarn durch die religiöse
Komplexität des Landes erschwehrt. In 1880 den bloß 47 % Römisch-Katholikern –
die der Religion des Hofes, der Mehrheit der Aristokratie (vor allem der
größten Grundbesitzer) und der Bevölkerung anderer Landesteilen der
Doppelmonarchie gehörten - standen 10,8 % Uniaten (Griechisch- und
Armenisch-Katholiker), 14,1 % Griechisch-Orthodoxen, 14,7 % Calvinisten, 8,2 %
Lutheraner, 4,6 % Juden und 0,4 % Unitarier gegenüber[3]
- abgesehen von durch die Statistiken nicht erfassten (weil vom Staate nicht
erkannten) religiösen Splittergruppen. Dazu kommt die wichtige Tatsache, dass
Ethnizität und Religion in der postgeudalen Klassengesellschaft eng und
miteinander in einer sehr komplexen Weise verwickelt waren. Das Magyarentum war
ursprünglich im Wesentlichen unter Römisch-Katholikern und Kalvinisten
(marginalerweise auch unter Lutheranern) verteilt. Die Deutschen waren entweder
Römisch-Katholiker oder Lutheraner in regional sehr getrennten und
unterschiedlichen Ortsgesellschaften. Die Rumänen waren entweder (größtenteils)
Orthodoxe oder Uniaten, und die Slawen sehr markant durch ihre fast exklusive
aber untershiedliche konfessionnelle Angehörigkeit bestimmt blieben: die
Slowaken waren meistens Römisch-Katholiker und (eine örtlich gruppierte
Minorität) Lutheraner, die Ruthener (Ukrainer in Subkarpatien) Uniaten, die
Serben Orthodoxe, die Kroaten Römisch-Katholiker. Die Juden waren – wie überall
im christlichen Europa – im großen ganzen als fremdartige Minorität
angesehen, unabhängig vom Sprachgebrauch und von internen kulturellen
Gliederungen.
Diese
einfachen Ziffern geben aber nur eine sehr ungenaue Übersicht über die am
Anbeginn des Staatenbaus entstandenen Integrations- und
Vergesellschaftungsproblemen unter der Ägide der Nation und des vom
magyarischen liberalen Adel vertretenen staatsbildenden Nationalismus. Um
diesem Spannungsfeld der ethnisch-religiösen Verhältnissen näher anzukommen, muss
man eine Anzahl von anderen Faktoren und Umständen in Bezug nehmen, namentlich
die gegebenen Klassen- und Schichtungsstrukturen nach Besitz, Einkommen und
Chancen, beziehungsweise die Bereitschaften zur beruflicher Mobilität,
die Machtverhältnisse in diesem in parlamentarischer Demokratie getarnten,
fortdauernden Ständestaat, die Möglichkeiten etlicher Gruppen zum Zugang zur
politischen Führungsschicht, die symbolischen und politischen
Interessenbeziehungen, die diese (ethnisch und konfessionell definierten)
Gruppen mit dem Ausbau des Nationalstaates unterhielten, und dazu das
kulturelle Erbe und die politischen Traditionen, die die Integration im
Nationalstaat entweder förderten und erleichterten oder behinderten und
erschwehrten.
Alle diese recht komplexen Grundgegebenheiten der ungarischen Gesellschaft im Zeitalter des Umbruchs zur Moderne können hier nicht einmal skizzenhaft analysiert werden, obwohl alle – bestimmt in unterschiedlicher Weise – mit der Umgestaltung der Eliten verbunden waren. Eher versuche ich nur diejenigen Wesenszüge anzudeuten, die mit den Entwicklungsmerkmalen der Vergesellschaftung von Minderheitseliten einerseits und den Folgen von Multiethnizität und Multikonfessionalität andererseits zu tun haben.
Der Ausbau
des Nationalstaates war also von Anfang an von der primären Nationalitätenfrage
belastet: wie unternimmt man die Sicherung der Staatstreue dieser Vielfalt von
nicht-magyarischen Mehrheitsgruppen? Zuerst versuchte man diese durch
Konzessionen zur ethnisch-kulturellen Eigenart, durch Gesetze, die den
Nationalitäten und den diese unterstützenden Kirchen eine breite, im Schulwesen
und Religionsausübung sich konkret ausdrückende Autonomie zusicherten,
erreichen. Aber gleichzeitig (und später immer mehr) begann man in enthegengesetzter
Weise die erwünschte politische Loyalität der kulturell, sprachlich,
anthropologisch und nach ihrer geschichtlichen Erinnerungswelt fremdartigen,
aber meistens seit sehr lange eingesiedelten Bevölkerungen durch mindestens
sprachliche Eingliederung zu verstärken. Die Antwort hieß: Assimilationspolitik
durch Schule, administrativen Druck, gesellschaftliche Eingliederungsmaßnahmen
und Angebot von individuellen Begünstigungen und kollektiven Vorteilen.
Immerhin shien dieses Assimilationsprojekt wegen seinem leicht einsehbaren
ungeheueren Umfang schon ursprünglich zum Scheitern verurteilt. Aus dem
in 1880 47 %-er Bevölkerungsanteil der Magyaren wurde 1910 – nach dreißig
Jahren aktiver Assimilationspolitik – noch immer nur 54 %[4].
Der ’assimilatorische Gesellschaftsvertrag’
Die liberal-nationalistische Führerschaft versuchte also mindestens die fremdartige gesellschaftliche Elite zu magyarisieren. Daher war die liberale Hauptströmung des magyarischen Nationalismus – also der im Vormärz geformten, im 1848-49-er Unabhängigkeitskampf erprobten, teilweise sogar verwirklichten und nach 1867 triumphierenden Staatsideologie - seit immer für die assimilationsbereiten, nichtmagyarischen Eliten ein ziemlich offenes, durch den rassistischen kulturellen Essenzialismus wenig betroffenes Gebilde. Im Prinzip konnte jeder Mitglied der aufkommenden Elite des Nationalstaates werden, der den Erfordernissen des ungeschriebenen ’assimilatorischen Gesellschaftsvertrages’ nachkam. Dieser ’Vertrag’ sah in der Tat die bedingte Integration von Mitgliedern der Minderheitsgruppen im Rahmen des Staatsapparates und in der adeligen Elite vor, und dazu die Verteidigung der gefärderten Gruppen – wie Juden – gegen Fremdenhass und Fremdenverfolgung – als Gegenleistung für ihre Staatsloyalität. Im ’Vertrag’ wurde naturgemäss auch einen Grad kultureller Anpassung verlangt, das heißt sprachliche und allgemein-kulturelle Assimilation, die sowieso erst einen reibungslosen gesellschaftlichen Austausch und Verkehr in den bürgerlichen Mittelschichten und den gentroiden Eliten möglich machte. Die gesetzlich gesicherten Prinzipien dieses ’Vertrages’ haben die weitgehende bürgerliche Gleichberechtigung der Minderheiten gesichert, und zwar, konkreterweise, das Recht auf eigenen Elementarunterricht für jede Bekenntnis- und Nationalitätengruppe, die Offenheit der Elitenbildung (freie Schulwahl auf mittlerer Ebene), Zugang zum öffentlichen Dienst (auch zur Armee) und zu Posten in den von den Behörden gegründeten und verwalteten Industriezweigen (Post, Bahn, städtische Transportmittel, Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke, usw.), sogar staatlich geförderte Mobilitätschancen (namentlich durch vom Staate garantierte Kredite) in der unternehmerischen Freiwirtschaft, einen Grad ’Veradeligung’ gutbürgerlichen Minderheitsgruppen durch Verleihung von Adelstiteln – bis Baron – (auch für Juden[5]) und einen in Mitteleuropa sonst unbekannten Grad von Säkularisierung: Zivilehe - daher Möglichkeit von jüdisch-christlichen Mischehen -, Gleichberechtigung der ’rezipierten’ Kirchen – seit 1895 das Judentum einbegriffen[6] -, freie Religionswahl mit der Möglichkeit ’bekenntnislos’ zu sein,[7] von kirchlicher Aufsicht befreites Standesamt, staatliche Neutralität in kirchlichen Angelegenheiten in einem Land wo der Katholizismus noch immer bestimmte symbolische Vorrechte der ehemaligen ’Staatsreligion’ innehatte[8].
Die assimilatorische Aufforderung war also auf einem beträchtlichen Angebot von Integrationschancen in der Elite und den damit verbundenen speziellen Begünstitgungen gestützt. Bestimmt waren beide durch die Minderheitslage der magyarischen ’titulären Elite’ bedingt. Allerdings war – vor allem am Beginn - die Assimilationspolitik ungarischen Schlages wahrscheinlich die am meisten liberale vergleichende Handlungsweise gegenüber ethnischen Minderheiten in Europa.
Ihre Endresultate wurden jedoch sehr ungleich und letzten Endes unzulänglich, um den multiethnischen und multikonfessionellen Nationalstaat aufrecht zu erhalten. Ehe wir uns zur Rolle des Schulwesens in der Bildung und Umbildung von Minderheitseliten wenden, muss man die Entwicklung zu diesem Ausgang skizzieren und die davon ergebenen gesellschaftshistorischen Konsequenzen ziehen.
Bei den Römisch-Katholikern, die schon gegen 1880 weitgehends Magyaren waren, im Westen (Transdanubien, 65 %), im Zentrum (zwischen Donau und Theiss, 74 %) und im Süd-Osten (Transylvanien, 90 %); die Magyarisierung hat bis 1910 keine entscheidende Fortschritte gemacht. Dies gelang mittelmässig bei den Deutschen (vor allem bei den Banater Schwaben von 32 % zu 43 %), etwas besser bei den Slowaken. Aber am Ende hatte man noch immer weniger als zwei Drittel katholische Magyaren.[9]
Bei den
Lutheranern konnte man ähnliche Phänomene des Sprachwechsels und/oder
der sprachlicher Assimilation, bzw. eines durch den Sprachgebrauch
gekennzeichneten Loylitätsbekenntnisses nur örtlich bemerken (vor allem
im Norden und im Westen) aber im Großen und Ganzen blieb das größtenteils seit
immer nicht magyarisches Lutheranertum bis zum Ende der Doppelmonarchie
eher deutsch- oder slowaksprachig, im Jahr 1910 mit nur 32 % Magyaren.[10]
Diese allgemeine Entwicklung verschleiert aber wichtige regionale und
subkulturelle Unterschiede. Die Siebebürgen-Sachsen zum Beispiel, eine seit dem
13. Jahrhundert eingesiedelte und lange mit starken feudalen Privilegien
ausgestattete Volksgruppe, haben anscheinend am Magyarisierungsprozess
praktisch nicht teilgenommen: in 1910 waren ihre Magyaren noch immer weniger
als 11 %, wenn der Anteil der Magyaren im Jahr 1880 bereits 10 % betrug.[11]
Die an der Magyarisierung am stärkstens beteiligte kulturelle Einheit stellten die Juden dar, vor allem die im Zentrum (einschliesslich Budapest), im Westen und in den meisten Großstädten angesiedelten ’Neologen’ (seit dem 1868-er ’Judenkongress’ auch als ’Kongressjudentum’ oder ’konservative Reformjudenschaft’ bezeichnet). 1910 waren die Juden mit 77 % Magyaren, die weit am meisten magyarisierte Religionsgemeinschaft des Landes, mit allerdings sehr breiten regionalen und subkulturellen Unterschieden. Die jüdische Orthodoxie war in der Assimilationsbewegung offenkundig viel weniger mobilisiert, mit manchen kulturell ganz abgeschlossenen Bruchteilen: im nord-östlichen Komitat Máramaros, das Siedlungsgebiet der Orthodoxie jiddischsprachigen, traditionsgebundenen, galizianischen Schlages, gab es 1910 noch nicht mehr als 17 % ’Magyaren mosaischen Glaubens’.
Außer der zwei ’rein ungarischen Bekenntnisgruppen’ – der in der Tat fast ausschließlich magyarischen Calvinisten und Unitarier (1880 schon 97,7 % Magyaren in beiden Gruppen) - blieben die anderen größeren Religionsgemeinschaften hingegen von den Versuchungen sprachlicher Assimilation fast unberührt. Die Griechisch-Orthodoxen blieben fast ausschließlich (bis zu 98 %) rumänisch- oder serbischsprachig, weil die im westlichen Katholizismus integrierten Uniaten hatten 1900 nur 13 % Magyaren.[12]
Wenn man die sprachliche Assimilation aus den Angaben für die gesprochenen Sprachen ermisst, wird es klar, dass die Bewegung im Allgemeinen am meisten die Deutschsprachigen betraf (ob Juden, katholische Schwaben oder Lutheraner - außerhalb von Transylvanien), da ihre rohen Bevölkerungsziffern von 1880 bis 1910 praktisch ungeändert geblieben sind (von einer Pauschalzahl von 100 zu 102), wenn die ganze Bevölkerung von 100 zu 133 wuchs und die Gesamtzahl der Magyaren von 100 zu 155 zunahm. Die Slowaken (mit Römisch-Katholikern, Lutheranern und etwas Juden) stellten die sich nächst am schnellsten magyarisierende Gruppe (Wachstum von 100 zu nur 105 in Relativziffern).[13]
Aus diesen
Angaben sheint es leicht zu erkennen, dass die Bevölkerung nicht-magyarischer
kultureller Bindung in zwei grobe Kategorien geteilt werden kann, die für und
die gegen Assimilation Eingestellten, mit allerlei Übergangspositionen. Ganz
klar nahmen die ’westlichen’ Juden und die Deutschen (ob Katholiker oder
Lutheraner bei den letzten) und ein beträchtlicher Teil der Slowaken
(gleichartig geteilt) das Assimilationsangebot in unterschiedlich freiwilliger
Weise an, während die anderen es global zurückwiesten. Die angedeuteten
Unterschiede hatten mit dem politischen Engagement im ungarischen
Nationalismus, mit den gruppeneigenen Möglichkeiten der Ausnützung des Angebots
für berufliche und gesellschaftliche Mobilität (die auch mit dem Modernisierungsgrad
und den objektiven Modernisierungschancen der Gruppe verbunden waren), mit dem
genauen Ausmass dieser Mobilitätschancen in der freien Wirtschaft und auf den
öffentlich kontrollierten Berufsmärkten, mit dem Gewicht der durch Magyarisierung
gewinnbaren Standesmobilität im symbolischen Kapital der gegebenen Gruppe, mit
dem politischen und kulturellen Erbe der Betroffenen und – schwerstens – mit
den offen stehenden alternativen Strategien kollektiven Vorwärtskommens,
symbolischer Selbstbehauptung und politischen - Sich-Geltung
Verschaffens), ebenso wie – ganz konkret – mit dem Vorhandensein eines
alternativen nationalistischen Angebots mit starker Anziehungskraft in den
Nachbarstaaten (zum Beispiel das Rumänische für Inlandsrumänen, das Tschechisch-Slovakische
für Slowaken, usw.) zu tun. Diese sehr komplexen Zusammenhänge dürfen im Rahmen
unseres begrenzten Aufsatzes wieder einmal nicht näher behandelt werden. Es
soll hier genügen zu betonen, dass fast alle der von der Assimilation
erwarteten Begünstigungen mit gesellschaftlicher Mobilität verbunden waren,
dass heißt nur für diejenigen wichtig sein konnten, die von einem bestimmten
beruflich-gesellschaftlichen Geltungsdrang bewegt waren sich in die
Mittelklassen zu erheben oder da ihre Lage zu verstärken. Kurz gesagt:
Assimilation, Modernisierung und Mobilität gehörten eng zusammen.
Schulung, Mobilität und Assimilation
Damit kommt man direkterweise zur Problematik der Schule. Das Bildungswesen verstand sich in diesem assimilatorischem Spannungsfeld als ein Mittel – und zwar das wirksamste – der sprachlich-kulturellen Assimilation oder Akkulturation und der sozialen Mobilität zu praktisch allen den prestigevollsten Berufszweigen der Mittelklassen (ein Zusammenhang der im 1883-er Qualifikationsgesetz formell kodifiziert wurde). Das Schulwesen galt also als der institutionalisierte Ort der gemeinsamen Vergesellschaftung aller alten und neuen bzw. zukünftigen Elitenschichten. Die Ausnutzung des schulischen Angebots und die Sich-Behauptung auf dem Schulmarkt wurde dadurch gleichsam das Zeichen erfolgreicher Assimilation. Daher die ausgesetzte Funktion der Erwerbung von Bildungsberechtigungen in den auf die Assimilation gerichteten Handlungstrategien der zur Assimilation eingestellten Minderheitsgruppen – wie Juden und Deutsche.
Diese hier nur theoretisch skizzierten Beziehungen zwischen assimilatorischen und zur Mobilität gerichteten Schulfunktionen kann für die wichtigsten beteiligenden Minderheitsgruppen auch empirisch demonstriert werden, wenn man einige ganz elementare Angaben über die Zusammensetzung mancher der wichtigsten Elitenkategorien nach ethnischem Ursprung anzieht.
Es ist mit zahlreichen Indizien leicht beweisbar, dass seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die modernsten Industrie- und Handelszweige, das Bank- und Kreditwesen von jüdischen Unternehmern und Fachmännern aufgebaut und gewaltet waren. Das beste Indiz dafür stellen die Prozentsätze jüdischer Privatbeamter dar, da bei den ’Unabhängigen Unternehmern’ verwischt die Statistik die kleinen, allein arbeitenden Inhaber von Geschäften und Werkstätten mit den eigentlichen Fabrikdirektoren und Großunternehmern. 1910 im Ackerbau 27 %, in der Industrie 47 %, im Handel und im Kreditwesen 55 % und im Transportwesen 15 % der männlichen Privatbeamter waren Juden, während jüdische Männer nur etwa 4 % der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung im Lande ausmachten [14]. Es war ganz ähnlich in den freien Berufen, wie Anwaltschaft[15], Medizin[16], Journalismus[17], Ingeneurertum[18] (vor allem in der Hauptstadt), die größenteils – nicht nur zahlenmäßig - von Juden dominiert waren: diese bekannten sich fast ausnahmslos zur magyarischen Identität. Es ist weniger bekannt und auch schwieriger zu beweisen, dass Deutsche und manche Slawen (darunter vor allem Slowaken und Serben) im Ausbau des modernen Handelswesens und in der großen Industrie auch eine disproportioniert wichtige Rolle spielten (wennicht so auffallend wie Juden) und dazu sich starke Positionen im öffentlichen Dienst und in der Armee sicherten. Manche Historiker gehen so weit und behaupten, dass das militärische Bündnis mit dem Nazi-Deutschland im II. Weltkrieg im Hauptquartier der Honvéd-Armee vieles den Oberoffizieren deutscher Abstammung verdankte, die den Assimilationsprozess im Rahmen der ’Verbürgerlichung’ der Militärlaufbahn durchgemacht hatten[19].
Die unterschiedlichen Mobilitätsziele und -möglichkeiten von jüdischen und christlichen Assimilanten hat natürlich nichts oder nicht vieles mit ’natürlichen Neigungen’ oder Einstellungen zu tun, sondern damit, dass der ’assimilatorische Gesellschaftsvertrag’ nur bedingt für Juden galt – nämlich unter der Pflicht des Konfessionswechsels – im Sinne offener Mobilitätschancen im Staatsapparat, während er für Christen bedingungslos angewandt wurde. Obwohl mehrere getaufte Juden im liberalen Zeitalter bis zu ministeriellen Posten gelangten – selbst der Verteidigungsminister am Anfang des ersten Weltkrieges, Baron Samu Hazai, war ja auch ein getaufter Jude -, gab es nur einen einzigen ungetauften jüdischen Minister - Vilmos Vázsonyi, Justiz- und Wahlreformminister 1917-1918 unter Kaiser Karl, dem liberalsten aller Herrscher im Habsburgerreich. Solche Möglichkeiten kamen aber nie mehr vor nach der antisemitischen Wende von 1919 bis zum bitteren Ende des Alten Regimes im Jahr 1945.
Für nichtjüdische Assimilanten blieb aber der Staatsapparat ein stark ersehntes und offenkundig erreichbares Mobilitätsziehl. In den 1920-er Jahren, nach der Reduzierung des Landes im Friedensvertrag von Trianon auf seine von Magyaren besiedelten mittleren Regionen, nach dem Zurückströmen von Zehntausenden von Staatsbeamten aus den abgetrennten Gebieten in den Rumpfstaat und nach einer mehr als ein halbes Jahrhundert dauernden Magyarisierungsbewegung fremden Familiennamen (die für öffentlich bediensteten eine Pflichtsache darstellte)[20], enthielt die Spitzenleitung ungarischer Ministerien noch immer einen beträchtlichen Prozentsatz von hohen Beamten mit deutschen (insgesamt 24,4 %) oder slawischen (12,7 %) und anderen fremden (4,4 %) Namen.[21] Der selbe Forscher fand in etlichen Budapester Elitengymnasien derzeitig noch immer nur eine Minderheit (40,2%) magyarnamiger Studenten. Dieser ausgezeichnete Statistiker, Fachmann der damals auch in Ostmitteleuropa in Schwung geratenen ’Stammesforschung’, identifizierte in den 1930-er Jahren nur 42 % von ’Stammungarn’ gegenüber 33 % ’Deutscharier’, 18 % slawische und 5,5 % andere ’Arier’ im öffentlichen Beamtentum, gleichwie bloß 24 % ’Stammungar’, 19 % ’Deutscharier’ und 13 % andere ’Arier’ gegenüber 44 % Juden in der wirtschaftlichen Intelligenz[22] - also eine klare Mehrheit von Leuten fremder kultureller Herkunft in Spitzenpositionen des Nationalstaates.
Auch wenn für die Bediensteten des Staatsapparats die symbolische (durch Sprache, Familienname, usw. nachweisbare) Magyarisierung wie die magyarische Identität von sich selbst ging - der Staat war ja doch seit 1844 offiziell auf Ungarisch verwaltet[23]-, hätte das Personal der freien Wirtschaft im Prinzip die Magyarisierung vermeiden können. Dies wäre umso mehr möglich gewesen, als Ungarn einen gemeinsamen Markt mit den meistens deutschsprachigen Kronländern der Doppelmonarchie bildete und das reichsdeutsche und das österreichische Kapital sowie die in deutschsprachigen Universitäten und technischen Hochschulen ausgebildeten Fachmänner in der Modernisierung der Industrie eine entscheidende Rolle spielten. In der Tat war die Magyarisierung schon um 1900 in den meisten unternehmerischen und privatbeamteten Kreisen ganz allgemein vollzogen, obwohl die Deutschkenntnisse bei den Intellektuellern, Privatbeamten und Spezialisten aller Art allgemein weiterhin verlangt blieben. Das ursprünglich fast ausschließlich deutsch- oder jiddischsprachige Judentum von Budapest, wo der Schwerpunkt der ungarischen Industrialisierung lag, war 1910 schon bis 90 % magyarisiert,[24] obwohl Mehsprachigkeit und vor allem Deutschkenntnisse in der Hauptstadt noch immer ein markantes Merkmal jüdischer Existenz darstellten [25].
Damit gelangt man zur eigentlichen Frage, wie das Schulwesen an diesem Prozess der kulturellen Assimilation und der Förderung beruflicher Mobilität konkreterweise teilnahm. Die Frage hat zwei Aspekte. Erstens muss man kurz die strukturellen Wesenszüge des Schulwesens beschreiben. Zweitens braucht man die ethnisch-religiös bedingten Ungleichheiten untersuchen, die in der Ausnutzung der vom Schulwesen gebotenen Begünstigungen gruppenspezifisch und voneinander auf eine sehr auffallende Weise unterschiedlich gestalteten. Diese Ungleichheiten waren zugleich quantitativer (in der Schulfrequenz ausgedrückt) und auch in mehfacher Weise qualitativer Art (in Schulzeugnissen, Schulwahl, Studienwahl, usw. erfassbar). Ich versuche hier diese Fragen in enger Verbindung miteinander zu behandeln, aber doch separat auf den drei Ebenen des seit dem Anfang der Doppelmonarchie[26] ’systematisierten’ (im hierarchischen Gebilde organisierten) ungarischen Schulwesens. Man beginnt diese Analyse mit der Elementarschulung, obwohl sie nicht direkt zur Elitenbildung bestimmt war, da die öffentlich organisierte Kindererziehung am allgemeinen Assimilationsprozess ganz entscheidend teilnahm und für manche Gruppen – vor allem für das ’westliche’ Judentum - ein strategisches Mittel zu einer Art ’institutionalisierter Selbstassimilation’ darbot.
Die Rolle der Volksbildung
Das vier- bis sechsklassige Elementarschulnetz (vier normale Klassen plus zwei ’Wiederholungsklassen’) war bis dem Ausgleich völlig von den Kirchen verwaltet und finanziert, und zwar meistens in der örtlich von den religiösen Gemeinschaftmitgliedern am meisten gesprochenen Sprache. Diese Praxis wird nach 1867 zunächst nicht modifiziert. Das 1868-er Grundschulgesetz (vom König am 5. Dezember unterschrieben) führte bloß die Schulpflicht von 6 bis 12 Jahren ein und ordnete die Gründung von Kommunalschulen überall an, wo die kirchlichen Schulen für den neuen Bedarf nicht genügten. Damit wurde das Prinzip respektiert „dass jeder Schüler das Recht hat die Grunderziehung in der Muttersprache zu erhalten”. Sogleich (am 6. Dezember 1868) sanktioniert man das Gesetz über die Gleichberechtigung jeder Nationalität (ethnischer Gemeischaft) innerhalb der unteilbaren ungarischen Nation. Dieses System des ’Volksunterrichts’ wurde durch die Gründung des vier- und (für Zwecke der Wiederholungsklassen) sechsklassigen Bürgerschulnetzes und auch eines paralellen Netzes von ebenfalls vierklassigen ’höheren Volksschulen’, die der untersten Stufe der Mittelschulbildung entsprachen. (Die ’höheren Volksschulen’ waren aber zum schnellen Verschwinden verurteilt.) Der liberale und anscheinend egalitäre Geist dieser Einrichtungen wurde während der folgenden Jahrzehten der aufkommenden magyarisch-chauvinistischen Nationalitätenpolitik mehr und mehr zurückgedrängt und teilweise aufgehoben. Schrittenweise hat man Maßnahmen zu Gunsten der Magyarisierung des Elementarschulnetzes getroffen, bis zum Wendepunkt des 1907-er Lex Apponyi, das das noch immer als unterentwickelt angesehenes Elementarschulwesen mit stark erhöhten Subventionen zu reformieren versuchte, so allerdings, dass die finanzielle Unterstützung nur für auf Magyarisch unterrichtenden Schulen vorbehalten blieb.
Indessen haben
die Kommunen und der Staat ihr eigenes Schulnetz aufgebaut, um die örtlichen
Lücken des kirchlichen Schulnetzes zu verstopfen. In der zukünftigen Hauptstadt
(die aus drei Stadtteilen erst 1873 eine einheitliche Verwaltung bekam) waren
die bis dahin meistens römisch-katholischen Schulen sofort nach dem Ausgleich
(1868) auf einmal in Kommunalschulen verwandelt. So entstand eine Dualität. In
Budapest und in manchen Städten (wie Szeged, Szatmárnémeti, Arad, Kecskemét,
Fiume) war das nicht kirchliches (Kommunal-, staatliches, Privat-) Schulwesen
bis zum Ende des Alten Regimes absolut (bis 80-90 % der Anstalten) dominant.
Sonst, in der Provinz haben dagegen über die kirchlichen Anstalten die absolute
Mehrheit bewahrt. Im Schuljahr 1914/15 waren im ganzen Lande 22 %
der Volksschulen öffentlichen Standes (vom Unterrichtsministerium überwacht)
staatliche, 8 % kommunale, 31 % römisch-katholische, 8 %
griechisch-katholische, 11 % calvinistische, 8 % lutheranische,
8 % griechisch-orthodoxe, 0,2 % unitarische und 2,5 % jüdische[27].
Aus diesen Zahlen fallen sofort die relative (aber keineswegs starke)
Überentwicklung des protestantischen und die Unterentwicklung – aus unterschiedlichen
Gründen - des griechisch-christlichen und des jüdischen öffentlichen
Schulnetzes auf.
Öffentlichkeit bedeutete hier ein reines Prinzip, was in der Wirklichkeit eine starke religiöse und ethnische Segregation verhüllte. Diese war einerseits durch die Unterrichtsprache bestimmt, andereseits durch die jeweilige religiöse Distanz zwischen Glaubensgemeinden. Die absolute Mehrheit der Kinder aller christlichen Glaubensgemeinschaften frequentierten in den doppelmonarchistischen Zeiten ihre religionseigene Volksschulen, weil eine Mehrheit der Juden (bis 55 % in 1913/14) in staatlichen oder kommunalen Schulen eingeschrieben waren. Die Segregation religiöser Art war die markanteste zwischen Katholikern und Protestanten aber auch unter Religionsgruppen griechischen Ritus und anderen Christen. Nur bei den Juden findet man regelmäßig über 10 % der Schüler in christlichen Lehranstalten[28].
Assimilationsbereite Gruppen schickten ihre Kinder wenn auch nur vorzugsweise in magyarische Schulen, die gegen das Ende der Periode (zum Teil dank dem Lex Apponyi) sowieso schon 80 % dieses Volkschulnetzes ausmachten[29]. Die Widerspenstiger bestanden fast exclusiv aus Sachsen in Transylvanien (mit weiterhin 249 deutschen Schulen aus den 249 lutheranisch-sächsischen Anstalten) und Rumänen: den 2471 griechisch-katholischen und orthodoxen Schulen gegenüber hatte man im Schuljahr 1914/15 noch immer 1948 (um 79 %) rumänische Anstalten[30]. Wenn man weiß, dass die Unterrichtssprache schon am Ende des 19. Jahrhunderts (1896/7) in den staatlichen (99 %), in den kommunalen (71 %), in den calvinistischen und unitarischen (99 %), aber auch in den jüdischen (95 %) öffentlichen Volksschulen fast ausschließlich magyarisch war, während 65 % der römisch-katholischen, 31 % des lutheranischen, weniger als 14 % der uniatischen (griechisch-katholischen) und bloß 2 % der griechisch-orthodoxen Volksschulen magyarisch überhaupt benutzten[31], kann man die sehr gruppenspezifisch unterschiedliche Rolle des Grundschulwesens im Assimilationsprozess ermessen.
Wenn man dazu hinzufügt, dass die staatlichen, kommunalen,
lutheranischen und jüdischen Anstalten von dieser Zeit schon viel besser als
die anderen eingerichtet, öfters mit Bibliotheken ausgestattet[32]
waren und mit besser bezahlten Lehrern und Lehrerinnen[33]
in durschnittlich wesentlich größeren Schulräumen mit weniger Kindern pro
Lehrer[34]
funktionierten, es ist leicht einzusehen, dass die staatliche
Schulpolitik und die religiösen gruppeneigenen Schulinvestitionen in der
Ausnutzung des gegebenen Schulangebotes das Grundelement der beobachteten
bildungsbezogenen Ungleichheiten darstellte. Wenn die
Religionsgemeinschaften griechischen Ritus auf ihren traditionell
nicht-magyarischen Anstalten beharrten, hat es sich objektiverweise als eine
Wahl für ein schwaches, wenig leistungsstimulierendes Bildungssystem erwiesen.
Im Gegenteil, wenn Juden teilweise in ihren eigenen öffentlichen Volksschulen,
aber größtenteils in staatlichen und kommunalen Anstalten ihre Ausbildung
begannen, abgesehen von denjenigen Orthodoxen, die die öffentliche Schulung
zurückwiesten und mindestens ihre Söhne (auf keinen Fall aber ihre Töchter) nur
in die traditionellen cheder und yeshiva zuließen, haben für sehr
starke Ausbildungszweigen optiert. In der Tat, obwohl es keine zuverlässlichen
zahlenhaften Angaben über Cheder-Schüler oder Yeshiva-Bocher gibt,
im öffentlichen Schulwesen haben Juden, wie oben gezeigt, sich bemerkenswert
ofts für staatliche oder kommunale Einrichtungen entschieden.
Das Endresultat dieser unterschiedlichen Schulstrategien auf der Ebene von Elementarbildung kann mit Hilfe der Rangordnung der Schulfrequenzen der Bekenntnisgruppen abgeschätzt werden. Diese Hierarchie hat sich sehr früh eingesetzt und bis Ende der Doppelmonarchie wesentlich nicht modifiziert – mit der Ausnahme der jüdischen Schulfrequenz, die sich eben als Folge des Assimilationsprozesses vom traditionellen Bildungsmuster in ein modernes sich grundlegend umgewandelt hatte. Wenn man die Erfüllung der 1868 eingeführten Schulpflicht untersucht, findet man 1870, dass Lutheraner mit einer Schulfrequenz von 64 % schon an der Spitze waren, gefolgt von Römisch-Katholikern (55 %), Calvinisten (47 %), Unitariern (48 %) und Juden (42 %), während die Konfessionsgemeinschaften griechischen Ritus, mit 38 % die Uniaten (Griechisch-Katholiker) und 29 % die Griechisch-Orthodoxen, vergleichsmäßig zurückblieben.[35] Ein viertel Jahrhundert später kann man schon wichtige Fortschritte im ’inclusiveness’ des Grundschulsystems feststellen. 1896/7 waren Lutheraner noch immer in der besten Position der Schulfrequenz (91 %), gefolgt von den Römisch-Katholikern und den Calvinisten (beide mit 85 %), den Juden (81 %) und den Unitariern (78 %), während die Uniaten (62 %) und Orthodoxen (63 %) Nachzügler geblieben sind.[36]
Bei dem oben genannten relativ bescheidenen jüdischen Leistungsindiz in der Zeit muss man weiterhin vor dem Auge halten, dass die am meisten traditionstreuen Ostjuden noch immer nicht das öffentliche Schulsystem benutzten, deshalb blieb die globale Schulfrequenz des Judentums – trotzt herkömmlich allgemeiner Einschulung junger Männern – in den Statistiken unterschätzt. Es wäre nicht schwer andere Hinweise dafür zu finden, wie markant das schulische Verhalten jüdischer Kinder gegenüber allen anderen Konfessionsgruppen abweichte. Ein gutes Beispiel dafür ist die auffällige Seltenheit des frühen Abganges. Wenn man vergleicht die Zahlen der 1904/5 in die ersten Klassen der Elementarschulen inskribierten Jungen mit denjenigen, die vier Jahre später in die 4. Klasse eingeschrieben waren, findet man bei Schülern in jüdischen Schulen kaum Abgang mit 95 % der weiter Anwesenden, während die vergleichbaren Prozentsätze der Fortbleibenden waren 70 % in lutheranischen, 59 % in kommunalen und calvinistischen, 52 % in römisch-katholischen und nur 38 % in griechisch-orthodoxen und 34 % in uniatischen Schulen.[37] Eine ganz ähnliche Leistungshierarchie lässt sich von den Frequenzziffern der Schüler von Budapester Volksschulen ablesen, die von 1871 bis 1940 eine Klasse wiederholen mussten. In jeder untersuchten Periode waren jüdische Schüler am seltesten Wiederholungsschüler, gefolgt mit Abstand von den Lutheranern und danach den anderen Konfessionsgruppen.[38]
Bei der Entstehung all dieser Ungleichheiten sollen natürlich – das ist eine grundsätzliche Arbeitshypothese - mit großem Gewicht nicht nur die religiösen aber eine Anzahl von anderen, historisch bedingten gesellschaftlichen Faktoren im Spiel sein – wie Verstädterungsgrad und Schichtungstruktur der konfessionellen Gruppen, ihr gegebenes ’kulturelles Erbe’ – namentlich die historisch schon abgelaufene kollektive Bildungslaufbahn – z. B. der Grad der Schreibkundigkeit -, aber auch objektive Mobilitätschancen und – wie schon oben betont – die Beziehung zum ‘assimilatorischen Gesellschaftsvertag’. Leider hat man bisher kein Grundforschungsmaterial geliefert, das diese Zusammenhänge empirisch belegen könnte. Es steht aber unterschiedlich – wie es später herausgestellt wird - mit dem Verhalten konfessioneller Publiken der Mittelschulen.
Zwar können die Angaben über die Schulfrequenz von nationalen Gruppen als viel weniger zuverlässig angesehen werden - gilt es jedoch mehr für ’Deutsche’ wenn auch weniger für andere ethnische Gruppen –, gerade weil mit Hinsicht auf Schulfrequenz es um ziemlich unterschiedliche Kategorien wie Lutheraner (Sachsen), Römisch-Katholiker (Schwaben) und Juden (meistens westlichen Schlages[39]) handelt. Auf jeden Falle die erfassbare Frenquenzhierarchie interessanterweise die konfessionelle Rangordnung wiederspiegelt. 1896/7 waren die Deutschen ganz entscheidend an der Spitze (mit 92,5 % Geschulten), gefolgt mit bedeutendem Abstand von den Magyaren (84 %), den Serben (80 %), den Slowaken und Croaten (beide mit 77 %), während die Rumänen und Ruthener (59 %) mit großem Abstand den anderen nachstanden[40]. Wenn man diese Resultate ernst nimmt, muss man daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die – trotzt jedes in mancher Hinsicht hysterischen Assimilationsdrangs des Millenniumsjahres (1896) – die sich noch immer zur ’deutschen’ Identität bekennenden Minderheiten zeigten eine nicht unbedeutende kulturelle Überlegenheit über ’Stammungar’, ’assimilierte Ungar’ und andere Nationalitäten auf …
Die Mittelschule und die Bildung von Minderheitseliten
Es ist nicht ganz unerwartet, dass man im Mittelschulwesen vergleichbare Tendenzen – nämlich die Bekenntnis- und Nationalitätengruppen betreffende Ungleichheiten – wahrnehmen kann, obwohl die Angaben auf dieser Ebene für durch Muttersprache oder ’erste Umgangsprache’ definierte ethnische Identität nicht mehr die selbe Tragweite innehatte als bei dem Publikum der Elementarschulen.
Das
Mittelschulwesen war nämlich schon fasst völlig im Dienst der
Assimilationspolitik des Nationalstaates eingerichtet mit mindestens dreifachen
Konsequenzen. Erstens bot die große Mehrheit der Mittelschulen nur magyarischen
Unterricht. Zweitens, die Schüler fremder Muttersprache waren geneigt (was
empirisch beweisbar ist) sich in den höheren Klassen mehr und mehr als
ungarischsprachig (also ’magyarischer Nationalität’) anzumelden. Drittens gaben
es manche Schüler, die die magyarische Ausbildung überhaupt zurückwiesten
zu Gunsten von ausländischen Mittelschulen (in Wien, Prag oder Bucarest). Das
kam vor, zum Beispiel, bei nationalistisch eingestellten Slowaken, die seit
sehr früh gehindert waren in eigensprachigen Gymnasien zu lernen [41],
aber auch bei Deutschen, Rumänen und anderen Minderheiten. Der moralische Druck
des nationalistisch geformten Unterrichts hat dafür in bestimmten Fällen keine
Wahl gelassen. Dazu kommt das Problem der ’Deutschen’, die auf dieser Ebene ofts
zu einandern völlig entgegengesetzten Schulstrategien folgten (die Juden
nämlich vor allem einer assimilatorischen, während, zum Beispiel, die
transylvanischen Sachsen einer exclusiv-nationalistischen). Aus all diesen
Gründen darf man für Mittelschulen die zur Nationalität der Schüler
hinweisenden (und durch den statistischen Apparat weiterhin ebenso regelmäßig
wie für religiöse Identität zusammengestellten) Angaben kaum in Betracht ziehen.
Das nach österreichisch-preussischem Muster aufgebaute Mittelschulwesen war auch zuerst auf kirchlichen Einrichtungen (achtklassigen Gymnasien mit Latein) aufgebaut, die am Anfang der dualistischen Epoche eine Monopolstellung auf dem Schulmarkt besaßen. Nach 1867 haben der Staat und manche Städten (vor allem die Hauptstadt) begonnen neue Gymnasien zu gründen und das ganze System wurde – wie in Österreich – ergänzt und umgestaltet. Zu den klassischen Gymnasien kamen (meistens durch staatliche Gründungen) Realschulen und ’höhere kommerzielle Schulen’ hinzu, denen ebenfalls die Berechtigung gewährt wurde ein Reifezeugnis auszustellen (allerdings nicht mit den selben weiterführenden studentischen Berechtigungen[42]). Wie auf der unteren Ebene, ist hier demzufolge ebenfalls ein dualistisches System entstanden. In Budapest und in manchen Städten hatten die nicht kirchlichen Mittelschulen zahlenmäßige Übergewicht, während in der Provinz blieben die kirchlichen Anstalten dominant, mit überproportioniert starker Stellung der protestantischen Gymnasien. In den Jahren 1909-1915 ein Drittel der Abiturienten wurde in nicht kirchlichen (staatlichen, kommunalen, privaten), ein anderes Drittel in unterschiedlichen römisch-katholischen und mehr als ein Viertel (28 %) in protestantischen Mittelschulen ausgebildet. Das ganze System blieb von Anfang an vom magyarischen Unterricht beherrscht, obwohl (eher in symbolischer Form) auch manche Nationalitäten Mittelschulen unterhalten durften. 1910 gab es unter 212 Mittelschulen 195 (92 %) mit magyarischem, 9 mit deutschem[43], 6 mit rumänischem[44] und je 1 mit serbischem (in Ujvidék – Novi Sad) und italienischem (in Fiume – Rijeka) Unterricht.[45]
Wenn, wie schon vorausgesagt, dieses System vergleichbare ethnisch-religiös bedingte Ungleichheiten wie in den Elementarschulen hervorgerufen hatte, war das Ausmaß dieser im Mittelschulbereich beträchtlich größer.
Zuerst kann man das auf Grund der Entwicklung der Ziffern von den auf der mittleren Ebene Eingeschulten abschätzen. Interessanterweise blieb das Wachstum des Publikums der Mittelschulen in den Jahrzehten nach dem Ausgleich ziemlich bescheiden, trotz neuer Schulgründungen und der Erweiterung der Schulwahl. (Von 1850 bis 1895 sechszehn neue Mittelschulen sind zu den bestehenden 52 hinzugefügt worden, ausser höhere kommerzielle Schulen.[46]) Gewiss hatten die Realschulen und die höheren kommerziellen Schulen vom Niveau null ein regelmäßiges Wachstum gezeigt, aber im ganzen Mittelschulnetz blieben sie bis zum Ende der Doppelmonarchie doch marginal, mit weniger als 24 % der Mittelschulschüler im Jahr 1910.[47] Im Gymnasialwesen hat sich die Zahl des Kundenkreises vom Anfang bis zur Endphase der liberalen Epoche (1867-1910) zwar beinahe verdoppelt (die Schülerzahl ist von 34.000 auf 61.000 gestiegen), es ist jedoch von 1867 bis Ende der 1890-er Jahre in der Zahl der Schüler eine ausgesprochene Stagnation nachzuweisen. Aber wenn man diese Stagnierung näher betrachtet und zum Beispiel die Studentenzahl nach Konfessions- und Altersgruppen untersucht, stellt sich hervor, dass die Stagnierung, was die christlichen Schüler betrifft, eigentlich eine klare Verringerung bedeutete, während die altersspezifische Einschulung von Juden sich verdoppelt hat.[48] Zwischen 1869 und 1910 haben sich die Prozentsätze der Jungen im Alter von 10-18 Jahren bei Römisch-Katholikern nur von 3,4 % zu 4,1 %, bei Calvinisten von 4,5 % zu 4,7 % und bei Lutheranern von 5,3 % zu 6,2 % gewandelt, während bei den Jungen griechischen Ritus die zu vergleichenden Zahlen ungleich bescheidener blieben. Bei den Juden sind sie aber sogar von 8,8 % auf 20,1 % gestiegen.[49]
Ich habe diese
Resultate in Hinblick auf den vermutlichen Einfluss der sehr unterschiedlichen
beruflich-gesellschaftlichen Schichtungseigenschaften der konfessionellen
Gruppen zu untersuchen versucht. Es erklärt sich von selbst, dass die Familien
’bürgerlicherer’ Schichten für die Mittelschulbildung ihrer Kindern mehr
leisten können bzw. mehr zu leisten bereit sind, als die weniger
begünstigten sozialen Klassen. Wenn man aber diese Schichtungsunterschiede
statistisch neutralisiert, so dass der religiöse Faktor auch wenn nicht ganz
’rein’, doch mit viel größerem Gewicht ins Spiel gerät, überbleiben auch starke
religionsspezifische Ungleichheiten.[50]
Katholiker haben regelmäßig eine etwas unterdurschnittliche Frequenz in
Mittelschulen gezeigt, mit Ausnahme der untersten Art von Mittelschule, die
vierklassige Bürgerschule[51].
Juden dagegen – wenn man den Durchschnittsindiz auf 100 setzt – waren 1910 in den Gymnasien mit dem Indiz 113, in Realschulen mit 164 und in den Bürgerschulen sogar mit
178 representiert[52].
Für höhere kommerzielle Mittelschulen kennt man nur den Indiz von 1920, von dem
selben Niveaus (171)[53].
Das bedeutet, dass die jüdische ’Überschulung’ im Mittelschulbereich nicht nur
– sogar: möglicherweise nicht immer wesentlich - von der
’bürgerlicheren’ Berufstruktur des Judentums abhängt.
Da könnte man diesbezüglich noch eine Anzahl von zusätzlichen quantitativen Indizien anführen, die unter anderen die beträchtlichen regionalen Abwandlungen dieser Ungleichheiten zeigen. Das habe ich schon in einer Reihe von Publikationen versucht.[54] Hier muss man eher betonen, dass die konfessionellen Publiken des Mittelschulwesens die unterschiedlichen Teilnetze des Systems sehr ungleich benutzt haben. Dieses Problem hat mit preferentieller Schulwahl sowie auch mit Segregationstendenzen zu tun.
Zuerst haben
die mobilen Minderheiten (Juden, Lutheraner, Deutsche) die Realschulen und die
höheren kommerziellen Schulen viel intensiver benutzt als andere Schülerkategorien.
1896/7 machten Juden nicht mehr als 18 % der Gymnasiasten aus gegenüber 39 %
der Besucher der Realschulen. Bei Lutheranern waren die vergleichenden
Prozentsätze 10 % und 11 % und bei ’Deutschen’ (im oben gedeuteten komplexen
Sinne) 11 % gegenüber 22 %.[55]
Bei Schülern anderer Konfessionsgruppen waren die Proportionen verkehrt.
1914/15 war die Struktur dieser Prozentsätze ganz identisch.[56]
Was die höheren Kommerzialschulen betrifft, wurde die vergleichende
Disproportionalität durch das absolute jüdische Übergewicht – mit cc. 48 %
aller Schüler von 1892-1900, um 50 % von 1901-1908 und zwischen 40 % und 48 %
danach[57]
– weitgehends verdrängt.
Diese Zahlen weisen schon auf ziemlich unterschiedliche konfessionsspezifische Bildungstrategien hin, die natürlich nur für Splittergruppen der betreffenden Schüler galten. Die klassische Wahl von Gymnasien mit Latein entsprach einer Option für die Studienbahn alter ’herrischer’ Mittelschichten. Die Realschule führte hingegen paradigmatisch zu Laufbahnen in den modernen Wirtschaftszweigen mit oder auch ohne Absolvierung von höheren technischen Studien. Dieser letztere Schultyp hat anscheinend Abkömmlinge der ’mobilen Minderheiten’ viel öfters angezogen.
Die
Konfessionsgruppen waren aber vor allem wegen ihrer respektiven Schulwahl
markant voneinander getrennt. Auf einem noch immer von den Kirchen dominierten,
gespalteten Schulmark und in einer wenig sekularisierten Gesellschaft ist es
nicht erstaunlich, dass die bevorzugte Wahl meistens, wenn möglich, auf die Anstalt
der eigenen Glaubensgemeinschaft fiel. Aber diese Möglichkeit war gar nicht
immer vorhanden, da es nicht einmal in den größeren Städten – außer der
Hauptstadt - um 1900 mehr als zwei, aber maximal drei Mittelschulen gabe[58],
von denen eine oder höchstens (in Ausnamefällen) zwei Schulen kirchliche
waren. Die Wahl der eigengläubigen Schule (meistens ein Gymnasium, da die
Realschulen und höhere kommerzielle Schulen in der Regel vom Staate oder
von den örtlichen Behörden begründet und verwaltet waren), musste öfters
strategisch getroffen werden, was oft mit einer kostspieligen und entfremdenden
Ortsveränderung der Betreffenden verbunden war. Trotzdem kann man eine
beträchtliche konfessionelle Segregation oder Selbstsegregation auf dem
Mittelschulmarkt über die ganze Periode hindurch beobachten, in dem Sinne, dass
die Mehrheit der Schüler der meisten kirchlichen Anstalten – mit Ausnahmen –
Angehöriger der gegebenen Kirche war. Es gab naturgemäss zweier Arten von
Ausnahmen.
Wenn die Wahl
des eigenen Anstaltes nicht möglich war, optierte man für eine Schule
einer ’verwandten’ Religion – eine andere protestantische für Protestanten,
eine ’griechische’ für Gläubiger der griechischen Religionsgruppen, usw. Die
auf dem Schulmarkt erfassbare Distanz zwischen Konfessionen war zwischen
Katholikern und Protestanten einerseits, zwischen Griechisch-Orthodoxen und
allen anderen andererseits die bemerkenswerte. Für die wenigen
griechisch-orthodoxen und katholischen Schulen spielte ihre rumänische oder
serbische Unterrichtssprache natürlich auch eine stark isolierende Rolle. Aber
der Raumgewinn der staatlichen und kommunalen Anstalten trug dazu bei, diese
Lage des Schulmarktes langsam umzuwandeln. Am Ende der Doppelmonarchie waren
aber noch alle christlichen Schülerkategorien in den nicht kirchlichen
Anstalten mehr oder weniger unterrepresentiert, eben weil sie in ihren eigenen
Schulen noch immer markant überrepresentiert, ja, mit der Ausnahme der
Lutheraner, mehrheitlich anwesend blieben.
Die zweite und große Ausnahme stellten
die Juden dar, die vor 1919 über keine Mittelschule verfügten. Auf dem sonst
nach religiösen Kriterien aufgespalteten Mittelschulmarkt konnten sowohl
Schüler jüdischer Herkunft als auch Erziehungsanstalten diverser Kirchen
anscheinend frei entscheiden, ob sie eine Schule von anderer Religion besuchen,
bzw. ob sie einen Schüler von anderer (in diesem Fall izraelitischen) Religion
in der Schule aufnehmen wollen. In der Tat kann man global-statistisch bis zur
Jahrhundertwende keinen wirklichen Segregationstrend gegenüber Juden
beobachten.[59]
Nach der als anti-katholisch wahrgenommenen sogenannten ’kirchenpolitischen
Gesetzgebung’ der Jahren 1894-96 bemerkt man allerdings eine Abnahme der
Zahl jüdischer Schüler in manchen katholischen Schulen, aber gar nicht überall
(kaum bei den Piaristen, wenig bei den Prémontrés). Zwischen 1909-1915 fällt
aber der Prozentsatz der in römisch katholischen Schulen ausgebildeten
jüdischen Abiturienten (14 %) im Vergleich mit der Proportion der Juden in den
Anstalten der katholischen Orden von früher (1880: 22 %, 1892: 16 %) ziemlich
ungünstig aus.[60]
Hingegen, die
protestantischen Schulen – die lutheranischen mehr als die calvinistischen -
sind viel länger für nicht Protestanten – darunter auch Juden – offen
geblieben, auch wenn sie diese Offenheit öfters mit graduiert höheren Gebühren
bezahlen ließen.[61]
Die progressive Verschließung der katholischen Schulen gegen nicht Katholiker,
zuerst gegen Protestanten, war aber außer ideologischer Gründen
wesentlich mit der Umstrukturierung des Schulmarktes verbunden durch die
Vermehrung der nicht kirchlichen Anstalten, vor allem in der Hauptstadt. In
Budapest, ein Segregationstrend in den katholischen Gymnasien war seit den
1890-er Jahren gegen Juden klar wahrnehmbar. Dieser Trend richtete sich nach
1919 eher ganz allgemein gegen Nicht-Katholiker und führte ab den 1930-er
Jahren zur fast völligen Ausschließung von Juden.[62]
Die Sonderstellung der Juden und – nebenbei - der Lutheraner auf dem
Mittelschulmarkt hat sich auch in qualitativ unterschiedlichen
Leistungsindizien ausgedrückt. Der Zusammenhang zwischen Konfession und
Schulleistung wird in den Analysen studentischen Benehmens viel öfters
vermieden als wirklich studiert, trotz des wichtigen Tatbestandes, dass in
Mitteleuropa (im ganzen Habsburgerreich aber höchstwahrscheinlich auch in
unterschiedlichen deutschen und manchen ost-mitteleuropäischen Ländern)
ausserordentlich gute Quellen für solche statistisch begründbare Arbeiten
vorhanden sind.[63]
Die offiziellen Schulstatisken Ungarns bieten schon einen Einblick in solche
Ungleichheiten der Schulleistung, weil die Angaben für die Endzensuren von
Abiturienten ofts nach Religion geordnet waren[64]. Est ist kein Erstaunen, dass
Juden und Lutheraner immer an der Spitze dieser fast objektiven
Leistungsmaßstäbe standen (mit einer gewissen Reserve bezüglich der eventuell
durch Antisemitismus bedingten Unterschätzung jüdischer Leistungen[65]). Römisch-Katholiker und
Calvinisten waren in mittelmäßiger Position und Angehörige der
Glaubensgemeinschaften griechischen Ritus ziemlich unten in dieser Hierarchie.
Diese ist also grundsätzlich die gleiche Rangordnung als die der Schulfrequenz.
Auf Grund meiner weiteren Forschungen lassen sich diese Resultate zu bestätigen und auch zui verfeinern. Sie stützen sich auf großangelegten prosopographischen Analysen[66] von vor allem Abiturienten (oder Schülern der Klasse 8, vor dem Abitur) sowie Schulanfängern (Schülern der ersten Gymnasial- und Realschulklasse).[67] Man findet hier die Wiederspiegelung der oben angedeuteten Rangordnung der Durchschnittsleistungen wieder. Aber dieses Material erlaubt eine genauere Analyse der Leistung nach kombinierten Angaben zum Beruf des Vaters (‘Klassenlage’) und zur Religion. Die merkwürdigsten Aspekte der schulischen Excellenz der Juden stellt sich in doppelter Form dar. Erstens haben Juden jeder sozialen Klassenkategorie in Mittelschulen signifikant bessere Resultate als ihre katholischen oder anderen gesellschaftlichen Klassenpartner in den intellektuell schwierigen Lehrgegenstanden. Manche dieser Unterschiede waren in der Tat eindrucksvoll. Auf einer Zensurskala von 1 (beste Zensur) zu 4 (Durchfall) gab es positive Unterschiede zu Gunsten der Juden gegen Katholiker von 0,33 in Mathematik, 0,47 in Deutsch, 0,35 in Latein, 0,42 in Ungarisch bei Schülern, deren Väter Freiberufler oder andere Intellektuelle waren.[68] Für die Schüler aus anderen Berufsklassen waren die Unterschiede etwas kleiner. Im Großen und Ganzen (und dies ist die zweite wichtigste Schlussfolgerung dieser Erhebung), wenn man unter den Haupgegenstände des Gymnasialunterrichts fächerspezifische Unterschiede erforscht, haben sich diese in Deutsch und in Ungarisch (0,33) am markantesten gezeigt, während sie etwas weniger stark in Latein (0,27) und in Mathematik (0,22) sich erwiesen.[69] In Körpererziehung blieben aber die durchscnittlichen jüdischen Zensuren in jeder sozialen Klasse scharf unter denen der christlichen Schüler, vor allem der Katholiker (mit einem negativen Unterschied von 0,22). Wegen Platzmangel lasse ich diese Resultate ohne Kommentar[70].
Minderheitseliten im Hochschulwesen
Obwohl die Matura schon als der wesentliche Abgrenzungsmechanismus
der ‘herrischen Mittelklasse’ wirkte, haben Universitäts- oder Hochschulstudien
natürlicherweise den Stand der Angehörigkeit zur Elite verstärkt. Nach unserem
Bericht über die im Unterrichtswesen auf unterer und mittlerer Ebene
bescheinigte, an die magyarischen Assimilation gerichtete
Bildungspolitik, ist es nicht unerwartet zu beobachten, dass das ganze
Hochschulwesen (mit marginalen Ausnahmen) praktisch seit dem Ausgleich im
Dienst des Assimilationsprojektes - der Bildung einer soweit wie möglich
kulturell einheitlichen nationalen Elite - gestellt war. Diese bedeutete
einerseits, dass im Hochschulwesen ein fast völliges Monopol des magyarischen
Unterrichts herrschte,[71]
andererseits dass der Zugang fast ausnahmslos in allen Anstalten für jeden zur
Gebührenzahlung fähigen Abiturienten ohne Vorbehalt frei war[72]. Dazu gehört die Tatsache,
dass das Hoschschulwesen der Doppelmonarchie bis zum ausgehenden 19.
Jahrhundert (und in wesentlicher Hinsicht auch später) zusammen mit den
deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen außerhalb der Staatsgrenzen
(Deutschland und die Schweiz inbegriffen) einen integrierten Bildungsmarkt gestaltete
- im Sinne der Wechselseitigkeit automatischer institutioneller Anerkennung der
Studiensemester in den selben Fächern unterschiedlicher Anstalten. In diesen
Rahmen war also die Ausbildung von Minderheitseliten durchaus befördert und
manche konnten auch ihr außerhalb von Ungarns erworbenes Diplom
innerhalb des Landes beruflich geltend machen.
Dieser formellen Gleichheit gegenüber findet man aber eine Anzahl von (den bisher beobachteten ziemlich ähnlichen) gesellschaftlich erzeugten Ungleichheiten, deren Natur aber entscheidend auch durch die auf dem höheren Schulmarkt gebotenen Wahlmöglichkeiten bedingt war.
Diese Wahlmöglichkeiten waren, kurz gesagt, innerhalb von Ungarn von dreier Art. Erstens gab es bis 1912 zwei klassischen Universitäten (in Budapest und seit 1872 in Kolozsvár/Klausenburg/Cluj) und eine Technische Hochschule (später Budapester Polytechnische Universität). Die 1912 gegründeten zwei zusätzlichen Universitäten in Pozsony (Pressburg, Bratislava) und in Debrecen blieben bis die 1920-er Jahren unfertig[73]. Zweitens funktionierten in Budapest und ausnahmsweise in der Provinz eine kleine Zahl von zentralen Fachhochschulen für Kunsterziehung, eine Militärschule (Ludovica Akademia) und eine Bergschule (für Wald- und Minen-Ingeneurentum in Selmecbánya[74]). Drittens gab es ein Netz von regionalen Fachhochschulen für Jura (10 Juristische Akademien), Handel (3 Handelsakademien), Agronomie (5 Agrarhochschulen) und Theologie (eine sehr große zahl von Priesterseminaren[75]).
Zuerst zu den quantitativen Ungleichheiten.
Die durch Muttersprache oder Umgangssprache bestimmten Minderheiten hatten die Tendenz – mit all den technischen Problemen der Deutung, wie es oben bei der Erörtung der Lage in den Mittelschulen erwähnt wurde – aus der Elitenbildung zu verschwinden oder sich als Magyaren umzuqualifizieren. 1910 findet man nicht mehr als 11,7 % sich als Nicht-Magyaren-Bekennenden im ganzen Hochschulpublikum, gegenüber 20,4 % in den Gymnasien und Realschulen, aber 44,2 % in den Elementarschulen, also da auch etwas weniger als in der gesamten Bevölkerung (55,5 %)[76]. Diese Unterschiede drücken natürlich sowohl den tatsächlichen Erfolg der Assimilation als auch die ungleichen Bildungsaussichten unterschiedlicher Minderheitsgruppen aus. Es ist nicht unwesentlich zu bemerken – auch wenn eine nähere Deutung dieser Ziffern den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde -, dass 1910 an den Hochschulen unter den Nicht-Magyaren 37 % ‘Deutsche’ zu finden war, obwohl ihre Anzahl nur 27 % unter den Elementarschülern und 23 % in der ganzen Bevölkerung war [77].
Was die Teilnahme konfessioneller Gruppen am Hochschulwesen
betrifft, kann man logischerweise sowohl als Endresultat als auch kronologisch
die im Mittelschulwesen bekannten Ungleichheiten feststellen. Die Studenten
waren ja aus Abiturienten ausgewählt. Zuerst muss man feststellen dass die oben
erwähnte ‘lange Stagnierung’ nach 1867 sich in der Studentenfrequenz der
Universitäten gleichfalls ausdrückte. Von den 1870-er Jahren bis zur ersten
Hälfte der 1890-er Jahre stieg die Zahl der Höhrerschaft von cc. 4 700 auf
bloß 5 600 (19 %)[78],
das heißt, dass diese Zunahme nur etwas höher als das Wachstum der Bevölkerung
(11 %) war[79].
Aber die relative Frequenz nach Glaubensgemeinschaften zeigte die selbe
ungleiche Entwicklung mit weitgehender Stagnierung der christlichen und dem
dynamischen Wuchs der jüdischen Nachfrage nach höheren Studien. 1910 findet man
pro 100 000 Bewohner 54 Studenten unter Römisch-Katholikern, 62 unter
Calvinisten, 75 unter Lutheranern aber schon 381 unter Juden[80], während andere
Religionsgruppen viel weniger in der Höhrerschaft repräsentiert waren. Diese
Unterschiede waren noch vierzig Jahren früher viel bescheidener :
während unter den Christen zwischen 20 (Calvinisten) und 25 (Katholiker)
Studenten auf 100000 Menschen fielen, konnten die Juden schon 1870 71 Studenten
aus 100 000 Konfessionsmitgliedern ausstellten[81].
Dies bedeutet aber, dass während sich die relative Frequenz bei
christlichen Studenten in der untersuchten Periode nur
verdoppelte-verdreifachte (etwas mehr bei Lutheranern), diese Frequenz bei den
Juden sich mehr als verfünffachte.
Aber
im Rahmen der Darstellung dieser Ungleichheiten kann man vielleicht eine noch
wesentlichere Beobachtung machen, mit der methodologisch bestimmt nicht
unproblematischen Analyse der Familiennamen von Studenten, mit der wir ihre
nationale Herkunkft oder ihren kulturellen ‘Hintergrund’ zu erfassen versuchen
könnten. Die Problemen der Namenforschung können hier nicht erörtert
werden, wie ich sie in einem Aufsatz unternommen habe[82]. Aber es lohnt sich, das provisorische Endresultat des Projekts in
diesem Zusammenhang zu zitieren, denn es scheint den empirischen Nachweis für
die nennenswerte Überrepresentation von Studenten nicht-magyarischen Stammes
(Juden, Deutsche und Andere) an den zwei größeren Universitäten des Landes
(Budapester Universität und Polytechnikum) abzugeben. Der Prozentsatz der
formell aus Minoritäten stammenden Studenten war um 1900 65 %. Dazu muss man
einen unbekannten, aber doch nicht ganz bescheidenen Prozentsatz von
christlichen Studenten hinzurechnen, die ihre Familiennamen magyarisiert hatten
(was in der nationalistischen Stimmung der Millenniumsjahre bei Deutschen und
Slowaken leidiglich gewöhnlich war). Der Anteil der Studenten
nicht-magyarischer Abstammung dürfte also auf 70 % oder noch mehr, der Anteil
von ‘Stammungarn’ auf 30 % oder weniger geschätzt werden[83]. Diese Zahl vergleicht sich
ungünstig mit den 37-42 % der Magyaren vor dem Zeitalter des
Assimilationsprozesses.[84]
Mit diesem Ergebnis, das von den auf die anderen Anstalten des Hochschulwesens
erweiterten Forschungen bestätigt oder eventuell modifiziert werden sollte,
findet man unsere schon angedeutete und für die niederen Bildungsniveaus auch
empirisch belegte Arbeitshypothese wieder, betreffend die relative kulturelle
Überlegenheit mancher Minderheitskategorien (vor allem Juden und Deutsche) im
Modernisationsprozess der Doppelmonarchie.
Aber auf Grund ihrer allgemeinen Höhrerfrequenz postulierte Sonderstellung von Juden und Deutschen kann duch ihre empirisch leicht erfassbare Sonderstellung innerhalb unterschiedlichen Sektoren des Hochschulmarktes noch eindeutiger belegt werden. Die Fachwahl erscheint als eine der konfessionell oder ethnisch-kulturell gruppeneigensten Gegebenheiten des Hochschulwesens.
Wenn
man Magyaren mit christlichen Deutschen, anderen Christen und Juden in dieser
Hinsicht vergleicht, wie ich es auf Grund von empirisch belegten aber nicht
völlig überprüften Indizien versucht habe[85],
lassen sich diese vier, soziologisch allerdingst überkomplexen
Kategorien sehr unterschiedlich plazieren, was ihre Wahlmöglichkeiten im
Fachangebot betrifft. Die ‘Magyaren’ waren vor allem überrepresentiert in der
Ludovika Akademia (Militärschule), in Jura, in den Philosophischen Fakultäten
(Ausbildung für Mittelschulprofessoren) und - eher unerwartet – in der
Bergschule (Akademie für Wald- und Mineningenieuren). Das ist also eine
ziemlich klassische Wahlstruktur gerichtet auf den Zugang zu Posten der
alten Berufszweigen des öffentlichen Dienstes. (Die Bergschule hat auch
Kandidaten für Führungsposten der vom Staate verwalteten Wälder und Minen
hervorgebracht.).
Die Deutschen zeigen hingegen schon eine auffallend hohe Frequenz in den Agrarakademien, in der Pharmazie, in der Polytechnischen Universität, in den Akademien für Mineningenieuren (Fach der Bergschule) und für Handel. Das ist also eine viel mehr an die privaten Wirthsaftsmärkte gerichtete Wahlstruktur.
Bei anderen christlichen Gruppen – eine soziologisch leider viel zu heterogene Kategorie – findet man die theologischen Anstalten besonders stark besetzt, aber auch die Agrarakademien und die Pharmazie. Das ist im Großen und Ganzen eine etwas archaische Wahlstruktur mit der Priesterbildung an der Spitze.
Bei Juden, auf nicht unerwarteter Weise, kann die in
unterschiedlichem Sinne ‘modernste’ Wahlstruktur erfasst warden, mit einer
außerordentlichen Überrepresentation der Medizin (Tiermedizin inbegriffen) und
der Polytechnischen Universität, aber auch der Kunsthochschulen und einer etwas
niedrigeren Representation der Jura.[86]
Jura ist überall eines der wichtigsten Fächern, auch für Juden (wenn man
die absolute Zahl der Studenten in Bezug nimmt), aber man weiß, dass das
objektive Laufbahnangebot für Christen (vor allem im öffentlichen Dienst) und
für Juden (Anwaltschaft) grundsätzlich bis zum Ende des Alten Regimes verzweigt
blieb.
Für
Glaubensgruppen hat man über Studienwahl genaue Angaben zur Verfügung (und
nicht nur empirische Schätzungen wie für ethnisch-kulturelle
Großkategorien). Da lassen sich drei größere – zum Teil (für Juden) schon
identifizierte - Muster voneinander unterscheiden, auf der Grundlage der drei
oder vier, für die betreffenden Gruppen wichtigsten Studienzweigen.
Wir nehmen hier als Beispiel das akademische Jahr 1910/11.[87]
Die ‘westlichen Christen’ (Römisch-Katholiker, Calvinisten, Lutheraner und Unitarier) bilden das erste Muster mit fast der Hälfte ihrer Studenten (44-46 %) in Jura – ausgenommen bei den Lutheranern (nur 37 %) –, eine überproportionierte aber nicht sehr starke Besetzung der Philosophischen Fakultäten (bis 23 % bei Unitariern gegenüber einem Durchschnitt von 9,3 %) und bei Calvinisten (19,4 %) und Lutheranern (20,3 % - gegenüber einem Durchschnitt von 13,7 %), aber eine durchschnittliche oder etwas unter-durchschnittliche Representation ist auch in all den anderen Fächern nachweisbar. In weiteren Forschungen könnte dieses Muster nach großen ethnisch-kulturellen und regionalen Einheiten differenziert werden, wonach wir die unterschiedlichen Mobilitätstrategien innerhalb des Hochschulwesens verfolgen können.
Das zweite Muster bilden die zwei griechischen Religionsgruppen, bei denen die erste Wahl die Theologie betrifft (44 % bei Uniaten, 29 % bei Orthodoxen unter ihren Studenten), die nicht nur Jura (34-35 %), sondern fast alle anderen Studienzweige in den Hintergrund drängt. Bei Orthodoxen bemerkt man allerdings ebenfalls einen unerwartet starken Anteil von Medizinern (22 % ihrer Studenten gegenüber einem Durchschnitt von 16,8 %), aber eine ganz schwache Frequenz der Polytechniker (2 % bei Uniaten gegenüber einem Durchschnitt von 11,5 % für die ganze Studentenschaft.)
Das dritte Muster wird, wie erwartet, nur von Juden besetzt, deren Verhalten schon oben mit anderen Indizien als das ‘modernste’ vorgestellt wurde. Das jüdische Muster wird durch eine unter-durchschnittliche (aber doch starke) Representation der Juristen (37 %) aber eine ausnahmsweise starke Überrepresentation von Medizin- (31 % gegenüber einem Durchschnitt von 16,8 %) und Ingenieurstudenten (15 % gegenüber einem Durchschnitt von 11,5 %) bestimmt. Die Juden waren auch fast doppelt so oft wie die Anderen (7,4 % gegenüber einem Durchschnitt von 4,7 %) an Kunststudien interessiert.
Teilergebnisse eines langfristigen, globalen, historisch-soziologischen Forschungsprojektes, das die genaue prosopographische Erfassung biographischer Angaben aller Akademiker der Universitäten und Hohschschulen ungarländischen Ursprungs[88] in der langen Ausgangsphase des Alten Regimes (1867-1948) zum Zweck hat, wird auch andere wichtige Gegebenheiten der oben angedeuteten Ungleichheiten in der Ausnutzung des Hochschulangebots darbieten. Unter diesen werden Einzelheiten der sehr gruppeneigenen Frequenz des Auslandsstudiums (typisch für Juden, Deutsche, vor allem für Deutsch-Lutheraner, mittelmäßig häufig bei Römisch-Katholikern, unwahrscheinlich für andere[89]), über Studienlaufbahnen (z. B. Rate des frühen Abgangs,[90] Alter beim Abitur, beim Studienanfang oder bei Erhaltung des Diploms – wobei sich bisher immer jüdische Studenten als weit die ‘jüngsten’ erwiesten[91]), Anteil der Frauen und ihr Verhalten in der Studentenschaft[92], historische Tendenzen der Modernisierung der Studienwahl in der Zwischenkriegszeit (verglichen mit dem liberalen Zeitalter), usw.
Dieses Projekt wird erlauben eine gleichzeitige multivariierte Analyse der Studentenschaft (diplomierte und eingeschriebene Studenten) nach sozialer Herkunft, ethnisch-religiöser Zusammensetzung, Bildungsverhältnissen, schulischer Leistung usw. und nach den statistischen Beziehungen zwischen all diesen Faktoren, um die Entwicklung des Schulwesens und der daraus stammenden Elitengruppen in den Zusammenhang der historischen Etappen der Modernisation des Landes zu stellen. Entscheidend wird dabei die historische Zesur des Zusammenbruchs der Doppelmonarchie und des multi-ethnischen Nationalstaates wirken (‘in seinen tausendjährigen Grenzen’), nicht nur deshalb weil der Trianoner Rumpfstaat eine plötzliche aber dauerhafte ‘Überfüllungskrise’ von Intellektuellern erlebte, sondern auch weil der im Herbst 1920 fürs erste mal in Europa im Hochschulwesen eingeführte antijüdische numerus clausus – wegen das geschilderte aussenordentliche Gewicht jüdischen Überschulungtrends - die Betätigungsumstände der ganzen ungarischen Elitenbildung umgestaltet hat.
[1] Die Volkszählung von 1910 hat nicht weniger als 21 sprachliche Minderheiten unterschieden, obwohl manche bekannte ethnische Kategorien haben sich sprachlich nur spurenhaft behauptet. Zum Beispiel, aus den nach früheren Volkszählungen mehr als 15 000 zählenden Armenier sind 1910 nur 121 Armenisch-Sprechende übergeblieben. S. Magyar statisztikai közlemények /Ungarische statistische Berichte/ 61, 112-119.
[2] Gerechnet nach Károly Keleti, Magyarország nemzetiségei /Die Nationalitäten Ungarns/, Budapest, Magyar Tudományos Akadémia, 1882, 22.
[3] Ebenda.
[4] Nach offiziellen Angaben der 1910-er Volkszählung, die den tatsachliche Sprachgebrauch und die angegebene ’erste benutzte Sprache’, die politisch gefärbte ’sprachliche Loyalität’ zusammen ermaß. S. Magyar statisztikai közlemények 61, 112-116. Schon in der Zeit des Zensus hat man offentlich bemerkt, dass diese formelle magyarische Mehrheit ohne die sich als Magyaren bezeichnenden 701.000 Juden (77 % des Judentums im Lande, 7.6 % der Magyaren und 3,8 % der ganzen Bevölkerung) fast verschwunden wäre. S. ebenda 116-117 und 249.
[5] Auch Juden. In der Doppelmonarchie um 280 jüdische Familien wurden in den erbhaften Adel erhoben. S. Magyar zsidó lexikon /Jüdisches Lexikon Ungarns/, Budapest, 1929, 642-647.
[6] Es gaben in der Doppelmonarchie drei Arten von religiösen Statuten, ein für die staatlich anerkannten und geförderten ’rezipierten’ Kirchen, die ’tolerierten’ Konfessionsgemeinschaften und die anderen, denen keine staatliche Anerkennung gewährt war und die gelegentlich auch Benachteiligungen, wenn nicht direkt Verfolgungen, im öffentlichen Leben ausgesetzt waren. In Ungarn waren bis 1895 die Römisch- und Griechisch-Katholiker (Uniate), Orthodoxe, Calvinisten, Lutheraner und Unitarien ’rezipiert’. Die ’Jüdische Rezeption’ wurde in 1895 als eine große liberale Errungenschaft angesehen, die dem Judentum nicht nur gesetzliche Gleichberechtigung erteilte, sondern auch eine kollektive Würde, die bis dahin fehlte, trotz völliger bürgerlicher Emanzipation seit 1867.
[7]
Bis zur ’Religionspolitischen’ Gesetzgebung der Jahren 1894-1896 war zum
Beispiel das Übertreten ins Judentum gesetzlich unmöglich, gleich wie die Ehe
zwischen Juden und Christen. Die Baptisten wurden noch im liberalen Zeitalter –
1905 – ’rezipiert”. Der Zensus von 1910 hat schon 8073 Baptisten, 3136
Nazarener und 2295 Bekenntnislose registriert. S. Magyar statisztikai
közlemények 61, 165.
[8] Man kann daran erinnern dass die Budapester Universität oder das Ministerium für Unterricht und Religion übte in der Auswahl ihres Personals noch immer (bis zum Kommunismus) eine bestimmte unausgesprochene Bevorzugung von Katholiker aus.
[9] Regionalen Details dieser Entwicklung können im diesbezüglichen Aufsatz meines Buches gefolgt werden : Zsidóság, polgárosodás, asszimiláció /Judentum, Verbürgerlichung, Assimilation/, Budapest, Cserépfalvi, 1997, 151-195, besonders 170-171.
[10] S. ebenda.
[11] Ebenda, 171.
[12] Magyar statisztikai közlemények 27, 135.
[13] S. mein Zsidóság, polgárosodás…op. cit. 165.
[14] Gerechnet nach Magyar statisztikai közlemények /Ungarische statistische Berichte/ 56, 493, 557, 589, 601.
[15] It 45 % der Rechtsanwalter in 1910. S. ebenda 56, 737.
[16] Mit 49 % der Mediziner und 40 % der Tierärtzten in 1910. S. ebenda 56, 771.
[17] Mit 43 % der Journalisten in 1910. S. ebenda 56, 775.
[18] Mit 37 % des Privatingenieuren in 1910. S. ebenda 56, 781.
[19] Für eine Kritik dieser Simplifikation s. Sánor Szakály, A magyar katonai elit, 1938-1945, /Die ungarische Militärelite, 1938-1945/, Budapest, Magvetõ, 1987, 56-58.
[20] S. darüber mein mit István Kozma veröffentlichtes Buch Név és nemzet, családnév-változtatás, névpolitika, és nemzetiségi erõviszonyok Magyarországon a feudalizmustól a kommunizmusig, /Name und Nation, die Veränderungen von Familiennamen, Namenspolitik, und nationale Machtverhältnisse in Ungarn vom Feudalismus bis zum Kommunismus/, Budapest, Osiris, 2004. Auf Englisch s. mein “ Aspects of Unequal Assimilation in Liberal Hungary. Social Geography of the Movement to Magyarise Alien Family Names before 1918”, History Department Yearbook, 1997/1998, Budapest., Central European University, 1999, 49-68; « Symbolic Nation Building in a Multi-Ethnic Society. The Case of Surname Nationalization in Hungary » Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, XXX, (Ethnizität, Moderne und Enttraditionalisierung, sous la direction de Moshe Zuckermann), Wallstein Verlag, 2002, 81-103.
[21] S. Alajos Kovács, „A nevek és névváltoztatások statisztikája” /Statistik der Namen und Namensänderungen/, Magyar statisztikai szemle, 1930/3, 228-240, vor allem 231.
[22] S. in unserem zitierten Buch Név és nemzet, 127 nach der ebenso zitierten Arbeit von Alajos Kovács.
[23] Die offizielle Staatssprache war Lateinisch (zusammen mit Deutsch und Ungarisch und gelegentlich auch anderen örtlich gesprochenen ’Hilfsprachen’ im Gerichtswesen oder in den praktischen Angelegenheiten der Verwaltung) bis 1843, wenn Magyarisch als Staatssprache gesetzlich anerkannt wurde. Nach dem verlorenen Unabhängigkeitskrieg im Sommer 1849 wurde aber Deutsch als Verwaltungssprache eingeführt – im Prinzip auch in der Elitenausbildung – bis zu den 1860-er Jahren und dem Ausgleich von 1867, als der Stand des Magyarischen als Staatssprache wieder hergestellt wurde.
[24] Gerechnet nach Magyar statisztikai közlemények /Ungarische statistische Berichte/ 61, 468 und 628.
[25] Im Jahr 1910 konnten 65 % der Budapester Juden Deutsch gegenüber dem Stadtdurschnitt von 41 % (Juden inbegriffen) und im allgemeinen fast zwei Sprachen fielen auf eine jüdische Person, während 1,6 im Durchschnitt auf die ganze Bevölkerung (Juden inbegriffen). S. Budapest statisztikai évkönyv, /Statistisches Jahrbuch für Budapest/, 1909-1912, 44.
[26] Es ist durchaus möglich das Gründungsdatum der endgültigen ’Systematisierung’ des ungarischen Bildungswesens nach österreichisch-preussischem Muster im November 1849 zu setzen, im Erscheinungsjahr des berühmten ’Entwurfes’ (kaiserlichen Organisationsentwurfes des Schulsystems) für das ganze Habsburgerreich. Die strukturellen Rahmen dieses Systems wurden mit manchen Veränderungen bis Ende des Alten Regimes nach 1945 aufrechterhalten.
[27] Gerechnet aus Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/, 1915, 244.
[28] Darüber s. meine ungarische Zusammenfassung und detaillierte zahlenhafte Dokumentation in „Szekularizáció, szegregació, asszimiláció, Felekezetek a magyar elemi iskolai piacon (1867-1946)”, /Sekularisierung, Segregation und Assimilation. Die Bekenntnisgruppen auf dem Elementarschulmarkt Ungarns, 1867-1946/, Világosság (Budapest), 2002/8-9, 61-83.
[29] S. Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/, 1915, 244.
[30] Ebenda.
[31] Gerechnet aus Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/, 1897, 346.
[32] Siehe dazu meinen Aufsatz : « ‘The People of the Book’ and Denominational Access Differentials to Hungarian Primary School Libraries in the early 20. Century », Jewish Studies Yearbook, 2000/2001, Budapest, Central European University, 193-201.
[33]
Die Grundbelohnung der Lehrer im Jahr 1906 machte in jüdischen Volksschulen
28,4 Kronen aus, gegen 18 Kronen in staatlichen und 22 Kronen in
kommunalen Schulen, während die Durschnittsumme nur 14 Kronen betrug. Die
gemeinsamen Ausgaben für einen Schüler waren 54 Kronen in jüdischen, 39 Kronen
in staatlichen, 46 Kronen in kommunalen Schulen gegenüber einem Durchschnitt
von bloß 22 Kronen. S. Magyar statisztikai közlemények /Ungarische
statistische Berichte/ 31, 91*.
[34] Dies gilt für jüdische Schulen, wo nicht mehr als 43 Kinder von einem Lehrer besorgt wurden, gegenüber einem Landesdurchschnitt von 62 im Jahr 1906. S. ebenda, 50*.
[35] S. A Vallás és Közoktatásügyi Miniszter jelentése 1870 évre /Bericht des Ministers für Unterricht und Religiöse Angelegenheiten für 1870/, Budapest, 1971,358-359.
[36] Gerechnet nach Angaben in A Vallás és Közoktatásügyi Miniszter jelentése 1896/97 évre /Bericht des Ministers für Unterricht und Religiöse Angelegenheiten 1896/7/, Budapest, 1897, 219-220 und 242-243.
[37] Gerechnet nach Magyar statisztikai közlemények /Ungarische statistische Berichte/ 31, 164 und Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/ 1909, 351.
[38] S. mein Buch Iskolarenszer és felekezeti egyenlõtlenségek Magyarországon (1867-1945), /Schulsystem und konfessionelle Ungleichheiten in Ungarn, 1867-1945/, Budapest, Replika Könyvek, 1997, 21.
[39] Die sprachliche Identität von Juden erwies sich um so mehr kompliziert, als das ungarländisches Judentum aus zwei wesentlich unterschiedlichen kulturellen Kategorien bestand, die ursprünglich jiddischsprechenden ’Ostjuden’ galizianischer Abstammung und die aus Österreich, Moravien und sonst vom Westen eingesiedelten deutsch- oder ’deutsch-jiddisch’-sprachigen. Die letztere waren viel mehr als die vorherigen zur Assimilation und Magyarisierung eingestellt.
[40] S. A Vallás és Közoktatásügyi Miniszter jelentése 1870 évre /Bericht des Ministers für Unterricht und Religiöse Angelegenheiten für 1870/, Budapest, 1971,358-359.
[41] Die in den 1860-er Jahren gegründeten drei slowakischen Gymnasien – unter Verdacht nationalistischer Agitation - wurden durch die ungarischen Behörden 1874 geschlossen.
[42]
Die Matura der Gymnasien mit Latein gab Zugang zu allen höheren Studien. Mit
der Matura der Realschulen ohne Latein durfte man nicht in klassische
Universitäten eintreten. Mit kommerziellem Abitur konnte man nur weitere
wirtschaftliche Hochschulen besuchen. Aber alle diese Reifezeugnisse hatten praktisch
den fast identischen gesellschaftlich oder sogar vom Staate anerkanten Wert:
Recht auf kürzeren Militärdienst und den Stand des Reserveoffiziers,
Satisfaktions- und ’Salonfähigkeit’, Recht auf die Titulatur eines Mitglieds
der ’herrischen Mittelklasse’. In Ungarn war die Matura wie im Westen ein
wichtiges soziales Mittel für die Abgrenzung der Mittelklasse vom Volk, eine
Schranke und ein Standesmaßstab, wie der zeitgenössische französische
Wissenschaftler Edmond Goblot es definierte. S. sein La barrière et
le niveau, Paris., 1906.
[43] Alle waren den lutheranischen Behörden der transylvanischen Sachsen unterstellt.
[44] Ausschließlich in Transylvanien.
[45] S. Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/ 1909-12, 375-378.
[46] S. István Mészáros, Középszintû iskoláink kronológiája és topográfiája, 996-1948, /Die Chronologie und Topographie unserer Schulen mittleren Niveaus, 996-1948/, Budapest, Akadémiai, 1988, 354-357.
[47] Ebenda.
[48] Meine diesbezügliche Synthese ist nur auf ungarisch vorhanden. S. „A középiskolai elitképzés elsõ történelmi funkcióváltása (1867-1910), /Der erste historische Funktionswandel der mittelschulischen Elitenbildung, 1867-1910/, in meinem zitierten Buch Iskolarendszer és felekezeti egyenlõtlenségek…, 169-194, besonders 178-181.
[49] Ebenda 181.
[50] “Jewish Over-Schooling Revisited : the Case of Hungarian Secondary Education in the Old Regime (1900-1941), Yearbook of the Jewish Studies Programme, 1998/1999, Budapest, Central European University, 2000, 75-91, besonders 85-89.
[51] S. ebenda, 87.
[52] S. ebenda 88.
[53] Ebenda.
[54] S. « Jewish Enrollment Patterns in Classical Secondary Education in Old Regime and Inter-War Hungary », Studies in Contemporary Jewry (Bloomington), 1984, 1, 225-252; « Juifs et Luthériens dans le système scolaire hongrois », Actes de la Recherche en Sciences Sociales, 69, sept. 1987, 67-85; « Ethnicité, scolarisation et assimilation chez les Juifs et les Luthériens en Hongrie pendant la Monarchie Bicéphale », Hungarian Studies (Bloomington, Budapest), 1988, 2, 23-41; « Two Paradigms of Denominational Inequalities in the Accumulation of Educational Capital . Eastern and Western Slovakia in Comparison », in Victor Karady and Peter Tibor Nagy (ed.), Educational Inequalities and Denominations. Database for Eastern Slovakia, 1910. Budapest, Wesleyan Theological Seminary, 2006, 9-34.
[55] Gerechnet aus Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/, 1897, 333.
[56] Ebenda 1915, 269.
[57] Gerechnet aus Angaben seit 1894 der Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/.
[58] Brassó, ein Haptplatz des transylvanisch-sächsischen Siedlungsgebietes, stellte in dieser Hinsicht eine einzige Ausnahme dar mit nicht weniger als fünf Mittelschulen gegen Ende des 19er Jahrhunderts.
[59] Für genaue Angaben s. meinen zitierten Aufsatz : „Jewish Enrollment Patterns…”.
[60] Alle diese Angaben sind im Anhang meines auf ungarisch erschienenen Aufsatzes zusammengestellt worden: „Felekezeti szegregáció a magyar iskolai piacon (1867-1944), /Konfessionelle Segregation auf dem ungarischen Schulmarkt, 1867-1944/, in Peter Tibor Nagy (Hrsg.), Oktatáspolitika és vallásszabadság, /Erziehungspolitik und Religionsfreiheit/, Budapest, Új Mandátum, 2000, 209-232 und 279-285.
[61]
Beispielhaft ist in dieser Hinsicht das für seinen im Westen berühmt
gewordenen ehemaligen jüdischen Schüler (darunter mehrere Nobelpreisträger oder
-Kandidaten) berühmteLutheranische Gymnasium von Pest. Nach der Rangordnung der
Gebühren bezahlten örtliche Lutheraner die Grundgebühr, andere Lutheraner etwas
mehr, Calvinisten und andere Protestanten noch mehr, Katholiker noch mehr und
Juden das Maximum. Dieses Maximum war in der Doppelmonarchie um das zweifache
der Grundgebühr, aber in der Zwischenkriegszeit schon das sechsfache…(Für die
Angaben s. die Jahresberichte des Gymnasiums.)
[62] S. die diesbezügligen Tabellen im zitierten Aufsatz „Felekezeti szegregáció…”, 284-285.
[63] Im Habsburgerreich die unter Archivmaterial zu findenden Einschreibungszettel und sogar viele gedruckten Jahresberichte von Mittelschulen (ganz regelmäßig in kirchlichen Anstalten) geben die namentliche Liste der Schüler in jeder Klasse im Prinzip jeder Mittelschule mit Religion und mit den Zeugnissen in jedem Lehrgegenstand an. In Deutschland findet man da ofts auch Angaben über Vater’s Beruf, Geburtsdatum und -Ort mit dieser Liste, aber kaum die Zensuren. Diese dürfen vielleicht in einzelnen Schularchiven noch ausfindig gemacht werden für ähnliche Forschungen.
[64]
Ich habe diese Angaben in meinen schon erwähnten Arbeiten ofts
zitiert. S. in meinem ebenso zitierten Buch Iskolarendszer
és felekezeti egyenlõtlenségek… 22, 96. 214 (Fussnote 37), u.a.
[65]
Das bedeutet, dass die in der Statistik gemessenen Resultate von Juden
tendenziell als etwas unterschätzt angesehen werden könnten.
[66] Mit einem Muster von mehr als 14 000 Schülern in Budapest und anderen Großstädten zwischen 1900-1914. Die Quellen waren die Einschreibungsakten der Anstalten. Seit dieser Erhebung ist es mir gelungen, ein viel größeres aber noch unveröffentliches Forschungsmaterial anzuhäufen. Für eine frühe Ausarbeitung ähnlichen Erhebungen s. meinen Aufsatz (mit Stephane Vári) « Facteurs socio-culturels de la réussite au baccalauréat en Hongrie », Actes de la Recherche en Sciences Sociales, 70, novembre, 1987, 79-82 S. auch die folgende Fussnote.
[67] S. unter anderen Arbeiten auf ungarisch den Aufsatz : "Social Mobility, Reproduction and Qualitative Schooling Differentials in Old Regime Hungary", History Department Yearbook 1994-1995, Central European University, Budapest, 1996, 134-156.
[68] Ebenda, 154-155. Die Unterschiede waren zwischen Juden und anderen Glaubensgruppen (meistens Protestanten in Budapest) bescheidener aber statistisch immerhin sehr signifikant.
[69] Ebenda.
[70] Darüber s. meine zitierten Arbeiten : „Jewish overschooling…”; 89-91, „Social Mobility, Reproduction…”, 147-152; Iskolarendszer és felekezeti egyenlõtlenségek…, passim. Dazu noch die Folgenden : “ Das Judentum als Bildungsmacht in der Moderne. Forschungsansätze zur relativen Überschulung in Mitteleuropa”, Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 347-361; „Testnevelés, iskolai értékrend és asszimiláció.”,/Körpererziehung, schulische Wertordnung und Assimilation/, Iskolakultúra (Pécs), XII/1, 2003 január, 25-36; „Social and Educational Profile of the Student Body” in Victor Karady, Lucian Nastasa (Hrsg.), The University of Kolozsvár/Cluj/Cluj and the Students of the Medical Faculty (1872-1918), Cluj, Ethnocultural Diversity Resource Center, Budapest-New York, Central European University Press, 2004, 69-149.
[71]
Mit Ausnahme mancher Priesterseminare und Lehrerbildungsanstalten der
ethnischen Minderheiten. In 1900 gab es, zum Beispiel, insgesamt nur
zehn theologischen Anstalten, deren Lehrveranstaltungen ausschließlich
auf magyarisch organisiert waren, die anderen haben Latein und/oder eine
Minderheitssprache mit oder ohne das Magyarische (als Hilfssprache) benutzt.
Die Katholische Theologische Fakultät der Universität Budapest
lehrte noch in 1900 auf Latein. S. Magyar statisztikai évkönyv
/Statistisches Jahrbuch Ungarns/ 1901, 346.
[72]
Die einzigen Ausnahmen stellten sinngemäss die
Theologien dar. Es ist möglich, dass die Ludovica Akademia (Bildungsanstalt von
Offizieren für die Honvéd-Armee) mit einer selektiven Aufnahmepolitik für die
verschiedenen Minderheitsgruppen ungleich offen war. S. Tibor Hajdu, Tisztikar
és középosztály, /Offizierskorps und Mittelklasse/, Budapest, História,
1999, 277-280. In solchen Erscheinungen anscheinend diskriminierender
Selektionspolitik konnte aber die Selbstausschließung von Minderheitskandidaten
eine viel wichtigere Rolle spielen.
[73] Ohne Medizinische Fakultät. Die Universität von Pozsony wurde infolge des Zusammenbruchs der Doppelmonarchie 1919 nach Pécs und die Universität von Kolozsvár nach Szeged umgelagert.
[74] Nach 1918 nach Sopron verlegt.
[75] Nicht weniger als 27 für Römisch-Katholiker, 5 für Griechisch-Katholiker, 3 für Griechisch-Orthodoxen, 5 für Calvinisten, 4 für Lutheraner, je 1 für Juden und Unitarier. Außerdem hatte das orthodoxe Judentum die Yeshiva von Pozsony, die ein staatlich anerkanntes aber - ungleich dem Budapester staatlichen Rabbinerinstitut - nicht befördertes oder überwachtes Rabbinerseminar war. S. die Angaben für 1910 in Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/, 1911,401-402.
[76] S. die detaillierten Angaben über die nationale Zusammensetzung der unterschiedlichen Studienniveaus in meinem Aufsatz : „Mennyire volt ’magyar’ a honi értelmiség a századfordulón ?” /Wieweit war die Intelligenz des Landes ’magyarisch’ um die Jahrhundertwende ?/, in Miklós Lackó (Hrsg.), Filozófia és kultúra /Philosophie und Kultur/, Budapest, MTA Történettudományi Intézet, 2001, 267-299, besonders 270.
[77] Ebenda.
[78] Zusammengestellt aus den Statistischen Jahrbüchern Ungarns.
[79] Gerechnet nach Angaben in Magyar statisztikai közlemények /Ungarische statistische Berichte/ 27, 7 und ebenda 76, 6.
[80] S. Iskolarendszer és felekezeti egyenlõtlenségek…, 79.
[81] Ebenda 81.
[82] « Assimilation and Schooling : National and Denominational Minorities in the Universities of Budapest around 1900 », in G. Ránki (ed.), Hungary and European Civilisation, Bloomington, Indiana University Press, 1989, 285-319. Auf ungarisch im zitierten Buch Felekezeti egyenlõtlenségek…, 195-215.
[83] S. Felekezeti egyenlõtlenségek…, 201.
[84] Für 1842 wurde der Anteil der Magyaren auf 37 % der ganzen Bevölkerung gesetzt aber andere Schätzungen geben höhere Ziffern an, bis 42 %. Für 1850 war der Prozentsatz genauer auf 41,5 % geschätzt. S. László Katus, Magyarország története 1848-1890, /Geschichte Ungarns/, Budapest, Akadémiai, 1979, 1149.
[85] Im Aufsatz : „Mennyire volt ’magyar’ a honi értelmiség…”, 289.
[86] S. ebenda die Details dieser Hinweise auf die unterschiedlichen Representationsgrade der angeführten Gruppen in den wichtigsten Studienzweigen.
[87] Quellenmaterial der Rechnungen in Magyar statisztikai évkönyv /Statistisches Jahrbuch Ungarns/ 1911, 403-406.
[88] Bis 1919 die im Ausland Studierenden eingeschlossen. Der empirische Teil des Projektes soll 2007 zum Abchluss kommen.
[89] S. die beispielhaften prosopographischen Veröffentlichungen von László Szögi und seinen Mitarbeitern, z. B. L. Szögi, Magyarországi diákok svájci és hollandiai egyetemeken 1789-1919 /Ungarländische Studenten an den schweizer und holländischen Universitäten/, Budapest 2000; L. Szögi, Ungarländische Studenten an den deutschen Universitäten und Hochschulen, 1789-1919, Budapest, 2001; L. Szögi – József Mihály Kiss, Magyarországi diákok bécsi egyetemeken és fõiskolákon 1849-1867, /Ungarländische Studenten an den Wiener Universitäten und Hochschulen 1849-1867/, Budapest, 2003; Gábor Patyi, Magyarországi diákok bécsi egyetemeken és fõiskolákon 1890-1918, /Ungarländische Studenten an den Wiener Universitäten und Hochschulen 1890-1918/, Budapest, 2004; Andor Mészáros, Magyarországi diákok a prágai egyetemeken 1850-1918, /Ungarländische Studenten an den Prager Universitäten 1850-0919/, Budapest, 2001.
[90] S. dazu meinen zitierten Aufsatz in Iskolarendszer és felekezeti egyenlõtlenségek…, 23.
[91] Dazu s. das Beispiel der Universität Kolozsvár in V. Karady, L. Nastasa, zitiertes Buch, 140-141.
[92] Dazu s. meinen Aufsatz in Iskolarendszer és felekezeti egyenlõtlenségek…, 57-92.